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Was hat Glück mit Brokkoli zu tun?

Barbara Fredrickson spricht über das, was uns langfristig glücklich macht

Barbara Fredricksons erster Workshop in Europa

Etwas, das es in dieser Form noch nie in Europa gegeben hat – und möglicherweise auch so nicht mehr geben wird: so lautet das Fazit nach drei inspirierenden, intensiven Kongresswochenenden. Insgesamt nutzten über 1000 Teilnehmer die Gelegenheit, international bekannte Größen der Psychologie live erleben zu können. Die Vielfalt der inhaltlichen Schwerpunkte und der persönlichen Art der Vortragenden bot einen lebendigen Einblick, wie sich das Feld der Positiven Psychologie heute, mehr als 15 Jahre nach der offiziellen (Wieder-)Begründung als psychologisches Forschungsgebiet, darstellt.

Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom gelingenden Leben, von menschlichen Stärken und positiven Institutionen, die Wachstum fördern und unterstützen. So individuell die Definition jedes einzelnen für „Glück“ ist, so vielfältig und facettenreich ist auch die Positive Psychologie in ihrer Anwendung z.B. in Psychologie, Coaching, Beratung, im Business und in Erziehung und Schule.

Positive Emotionen und warum sie so wichtig sind für unser Wohlbefinden

Barbara Fredrickson, führende Forscherin auf dem Gebiet positiver Emotionen, nennt zehn positive Basisemotionen: Freude, Dankbarkeit, Zufriedenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen, Inspiration, Ehrfurcht, Liebe. Fredrickson zeigte klar und eindrucksvoll die Wichtigkeit positiver Beziehungen und positiver „Mikromomente“. Grundlage ihrer Arbeit bildet die Broaden & Build Theory (Erweitern und Aufbauen, Fredrickson 2001), in der sie belegt, wie positive Gefühle die Aufmerksamkeit unmittelbar erweitern können. Fredrickson versteht dies nicht nur metaphorisch, sondern führt konkrete Belege aus der Neurowissenschaft an, die zeigen, wie sich die Wahrnehmung physiologisch erweitert, wenn positive Emotionen erlebt werden. „Wer mehr wahrnimmt, kann auch mehr Verbindungen schaffen“; dieses Broadening unterstützt größere geistige Flexibilität, Kreativität und Resilienz.

Positive Emotionen sind laut Fredrickson die Nährstoffe unserer geistigen Gesundheit: Für psychisches Wohlbefinden brauchen wir eine „Diät“ positiver Emotionen. Ebenso wie uns eine Portion Brokkoli pro Jahr nicht gesund macht, verhält es sich auch mit positiven Emotionen. Nur das regelmäßige Erleben positiver Gefühle hält langfristig emotional gesund. Der Effekt solcher positiven Momente liegt in ihrer Akkumulation: Menschen werden dadurch „bessere Ausgaben ihrer selbst“ und bauen persönliche Ressourcen auf. Diese Ressourcen umfassen alle Bereiche des menschlichen Erlebens: intellektuelle, emotionale, interpersonale und handlungsbezogene (Fredrickson, 2013a).

Positive Verbindungen zwischen Menschen schaffen Wohlbefinden

Positive Resonance ist für Fredrickson die natürliche Konsequenz aus Broaden & Build und gleichzeitig die notwendige Grundlage unserer Beziehungsfähigkeit. Menschen, die positive Gefühle erleben, öffnen sich dem other-focussed thinking und beziehen die Perspektive anderer Personen mit ein. Fredrickson (2013) spricht dabei von Liebe, und zwar nicht im Sinne einer exklusiven, dauerhaften oder sexuell orientierten Beziehung, sondern als universelle zwischenmenschliche Erfahrung, die sich dadurch auszeichnet, dass im Kontakt kurzzeitig mehr positive Emotionen und mehr gegenseitiges Interesse bzw. Fürsorge erlebt wird. Im Verhalten zeigt sich dies unmittelbar an einer gesteigerten Synchronizität; Bewegungen, Gestik und Mimik erfolgt im Einklang mit dem anderen (Vacharkulksemsuk & Fredrickson, 2012).

Die Voraussetzung für diese Mikromomente positiver Resonanz sind ein Gefühl von Sicherheit und Verbindung. Mangelnde Sicherheit begünstigt selbstschützende Verhaltenstendenzen und schränkt sowohl Wahrnehmung als auch Handeln ein; Sicherheit erweitert beides. Damit Verbindung erlebt werden kann, ist der reale Blick-, Körper- oder stimmliche Kontakt entscheidend. Dieser wird auf sensorischer Ebene erfahren und begünstigt „gemeinsames Schwingen auf einer Wellenlänge“ – bis hin zu neuronaler Synchronizität. Fredrickson bezieht sich dabei nicht nur auf die Spiegelneuronen, sondern allgemein auf synchrone Aktivierungsmuster in Hirnregionen und auf hormonellen Gleichklang (z.B. Oxytozin-Rapport). Diese erlebte Verbindung – Daniel Siegel nennt das feeling felt, was soviel bedeutet wie sich wahrgenommen fühlen – kann auf Dauer nicht durch virtuelle Formen ersetzt werden. Fredrickson charakterisiert Kommunikation deshalb auch als eine Handlung, die in zwei Gehirnen stattfindet, die im Gleichklang sind.

Die tägliche Dosis positiver Emotionen lässt uns aufblühen

Fredrickson spricht häufig von positiver Potenzierung und beschreibt damit mehrere sich selbst unterstützende Kreisläufe (upward spirals). Menschen, die regelmäßig positive Gefühle erleben (daily diet of positive emotions) entwickeln sich stärker im Sinne des Flourishing. Sie fühlen sich gut und tun Gutes (feel good – do good) und erfahren sowohl hedonisches Wohlfühlglück als auch eudaimonisches Werteglück. Dies führt wiederum zum häufigeren Erleben positiver Emotionen, und so bleibt der Aufwärtskreislauf in Bewegung.

Fredrickson betont übrigens ausdrücklich, dass es bei den positiven Gefühlen weniger auf die absolute Intensität als vielmehr auf ihre Häufigkeit und Regelmäßigkeit ankommt, da dadurch Prozesse im Gehirn gebahnt und neue Netzwerke „verdrahtet“ werden. Aktuelle Studien weisen sogar auf den direkten Einfluss positiver Gefühle auf epigenetische Phänomene und damit langfristig auf Gesundheit und Lebensdauer hin. Grundlage dafür ist nach Fredrickson eine „Kaskade“ von positiven Emotionen, Sinnerleben und einem gesunden Genom. Damit betont sie ganz klar die Verbindung von hedonischem und eudaimonischem Glückserleben.

Was ist mit negativen Emotionen? Ist Positive Psychologie letztlich doch nur Happyology? Fredrickson bringt dafür das Bild eines Segelboots ins Spiel, bei dem der Kiel, der unter der Wasserlinie liegt, die negativen Gefühle darstellt und die Segel die positiven. Nur wenn das Boot „gut im Wasser liegt“ und einen gewissen Tiefgang hat, ist Navigieren möglich. Nur dann kann das Boot auch stärkerem Wind standhalten, ohne sofort zu kentern. Doch die beste Wasserlage bringt keine Vorwärtsbewegung, wenn die Segel nicht gesetzt sind. Erst der Wind ermöglicht Segeln, bringt Kraft und Richtung.

Was können wir für unser Glück tun?

Wenn Sie sich also fragen, was Sie persönlich tun können, um Flourishing zu unterstützen, so lautet die Empfehlung, die wir aus Fredricksons Arbeit ableiten können: Schaffen Sie sich Möglichkeiten, um Positives in Ihrem Alltag wahrzunehmen und gemeinsam mit anderen zu erleben. Hier seien die klassischen Interventionen der Positiven Psychologie genannt wie z.B. der positive Tagesrückblick, Freundlichkeit, Dankbarkeit und aktiv konstruktive Kommunikation. Diese Übungen sind einfach und alltagsnah, und sie bringen in der Regel schnelle wahrnehmbare Erfolge. Wie entscheidend schnelle und frühzeitige Erfolge sind, zeigt Fredrickson in aktuellen Studien zur Nachhaltigkeit von Verhaltensänderungen, z.B. im Bereich Ernährung, Bewegung und allgemeines Gesundheitsverhalten. Wer eine neue Gewohnheit aufbauen will und frühzeitig Erfolgserlebnisse erlebt, der wird die Veränderung im Lebensstil nachhaltig aufrechterhalten. Wenn dieser Erfolg zusammen mit sozialer Unterstützung erfahren wird, dann steigen die Aussichten auf Nachhaltigkeit weiter; und so schließt sich der Bogen zu den positiven Mikromomenten im zwischenmenschlichen Kontakt (Garland, 2010).

Um diesen Aufwärtsspiralen praktisch im Alltag Raum zu geben, fokussiert Fredrickson auf die sogenannte Loving-Kindness-Meditation. Diese ist eine klassische Meditationstechnik, die Achtsamkeit mit dem gezielten Erleben von Freundlichkeit und Zuneigung verbindet: sowohl anderen Menschen als auch sich selbst gegenüber. Studien zeigen, dass bereits kurze Phasen dieser Übung sehr positive Effekte zeigen, wenn sie regelmäßig praktiziert wird. Also lieber jeden Tag fünf bis zehn Minuten als einmal in der Woche eine halbe Stunde.

Der zweite praktische Rat für mehr positive Emotionen im Alltag lautet prioritize positivity, geben Sie de Positivität Vorrang. Dabei ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass es eine feine Kunst ist, positive Emotionen zu vermehren. „Blumen wachsen auch nicht schneller, wenn man sie anschreit“, so bringt es Fredrickson auf den Punkt. Konkret empfiehlt sie, die eigene Emotionsregulation zu nutzen, um mehr positive Emotionen im täglichen Leben zu erfahren. Dies ist zum Beispiel möglich, wenn man Entscheidungen danach trifft, wie viele positive Emotionen sie mit sich bringen. Ebenso lässt sich so entscheiden, wie man die eigene Freizeit gestaltet. Und wenn die positiven Gefühle erlebt werden, so lassen sie sich mit den Prinzipien des bewussten Genießens (Savouring) intensivieren und verlängern. Der authentische Ausdruck von Wertschätzung, Zuneigung und Anerkennung im Kontakt mit anderen Menschen ist eine weitere Quelle positiver Emotionen.

Fredrickson schließt ihren Workshop mit dem Appell, positive Gefühle nicht nur bewusst wahrzunehmen und zu genießen, sondern ihnen Vorrang zu geben: Prioritise Positivity.

Zum Weiterlesen

Fredrickson, B. (2013). Die Macht der Liebe: Ein neuer Blick auf das größte Gefühl.
Frankfurt am Main: Campus.

Fredrickson, B. L. (2013a). Positive emotions broaden and build. Advances in experimental social psychology, 47, 1–53.

Fredrickson, B. L. (2013b). Updated Thinking on Positivity Ratios. American Psychologist. Retrieved from http://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&db=pdh&AN=2013-24731-001&site=ehost-live

Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American Psychologist, 56(3), 218–226. Retrieved from 10.1037/0003-066X.56.3.218

Garland, E. L., Fredrickson, B., Kring, A. M., Johnson, D. P., Meyer, P. S., & Penn, D. L. (2010). Upward spirals of positive emotions counter downward spirals of negativity: Insights from the broaden-and-build theory and affective neuroscience on the treatment of emotion dysfunctions and deficits in psychopathology. Clinical Psychology Review, 30(7), 849–864.

Tugade, M. M., & Fredrickson, B. L. (2004). Resilient individuals use positive emotions to bounce back from negative emotional experiences. Journal of Personality and Social Psychology, 86(2), 320.

Vacharkulksemsuk, T., & Fredrickson, B. L. (2012). Strangers in sync: Achieving embodied rapport through shared movements. Journal of Experimental Social Psychology, 48(1), 399–402. doi:10.1016/j.jesp.2011.07.015 

Übungen der Positiven Psychologie in kurzen Videos mit Dr. Daniela Blickhan

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