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Gedanken zum Ausklang dieses Jahres

Positive Psychologie in Zeiten einer Pandemie

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

bevor wir zum Ende dieses besonderen Jahres in die Weihnachtsferien gehen, möchte ich euch gerne schreiben. Vermutlich erlebt ihr das ganz ähnlich: Die zweite Welle der Beschränkungen ist in mancher Hinsicht genauso hart wie die erste im Frühjahr, einiges sogar noch härter – doch manches fühlt sich erstaunlicherweise leichter an. Emotionsdifferenzierung ist in diesen Zeiten eine wertvolle Fähigkeit, die uns helfen kann, wenn so viele Gefühle gleichzeitig da sind. Das Wissen darum, dass wir “ein Gefühl haben” und nicht “ein Gefühl sind” kann uns helfen, verschiedene Gefühle gleichzeitig wahrzunehmen, auch wenn sie sich zunächst scheinbar widersprechen.

Wie können wir zum Beispiel…

  • traurig sein über das, was dieses Jahr nicht möglich war und nicht mehr möglich sein wird,
  • gleichzeitig dankbar für Wege und Möglichkeiten, die sich (dennoch) geöffnet haben oder weiter öffnen werden,
  • froh um unseren Mut, den wir gezeigt haben, indem wir diese Wege gefunden haben (oder noch finden), und auf ihnen vorangehen,
  • zuversichtlich bleiben, dass wir auch weiterhin mit dem umgehen können, was neu und ungewohnt ist,

…wie geht das gleichzeitig…?

Emotionsdifferenzierung bedeutet, unsere Gefühle aufmerksam wahrzunehmen, ihnen in ihren Facetten Raum zu geben, auch wenn diese scheinbar erst einmal gar nicht so gut zueinander passen. Und so können wir merken, dass wir eigentlich viel mehr Gefühle in uns spüren, als wir im Alltagsmodus mitbekommen. Und diese Gefühle beginnen sich zu verändern, schon in dem Moment, wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten. Und auf diese Weise können wir unserer emotionale Schwingungsfähigkeit ein wenig mehr Raum geben. Nicht durch Druck, sondern ganz im Gegenteil, mit innerer Erlaubnis und Freiraum.

Ich möchte euch dazu ein Kapitel aus meinem Buch beilegen, das (wegen Corona verzögert) Ende Januar erscheinen wird. Ihr findet das als pdf auf der Seite zum Buch (unterhalb der ISBN-Informationen). In diesem Kapitel findet ihr Möglichkeiten, wie ihr mit euren Emotionen freundlich und achtsam umgehen könnt. Vielleicht ist das eine oder andere dabei, was euch unterstützt, das Jahr gut abzuschließen, die Festtage in neuer Weise zu erleben und mit Zuversicht und innererem Freiraum ins Neue Jahr zu starten. Das wünsche ich euch und uns allen.

Genauso wie viele von euch, haben auch wir im INNTAL in diesem Jahr viel Neuland beschritten. Nachdem wir im Frühjahr drei Monate lang komplett geschlossen waren und keine Seminare laufen durften, haben wir alle gemeinsam über den Sommer richtig angepackt und viele, viele Seminartage mit euch gemeinsam gestaltet. Wir haben unsere Erfahrungen gesammelt, wie ein INNTAL-Seminar mit Abstand geht (…gut!) und waren sehr begeistert davon, wie konstruktiv, engagiert und mutig alle die neue Situation gemeistert haben, sowohl Teilnehmende als auch Trainer/innen. Auch als im Herbst die Beschränkungen mehr wurden und alle Maske tragen mussten, konnten noch Präsenzseminare laufen, die sich nach INNTAL angefühlt haben. Dafür sagen wir DANKE!

Genauso wie so viele von euch, haben auch wir in diesem Jahr viel online gearbeitet und Erfahrungen gesammelt, was dabei gut geht – und was nicht ganz so gut. Diese Erfahrungen tragen uns jetzt durch die zweite Welle der Beschränkungen. Wir haben in der letzten Woche zahlreiche Seminare für den Januar und Februar auf online umgestellt und freuen uns sehr, wie gut die Resonanz darauf ist. Ich persönlich war noch vor wenigen Monaten überzeugt, dass online zwar vieles geht – aber keine Ausbildung im INNTAL-Stil. Und nun habe ich zusammen mit Sasha und 12 unglaublich engagierten Teilnehmern schon die Hälfte einer ganz, ganz tollen Online- Level 1 Ausbildung hinter mir. Und habe ein Seminar Level 2 Coaching online gehalten – das lief richtig gut. Deshalb habe ich mich jetzt entschlossen, Anfang Januar einen weiteren Online-Termin für das Level 2  Modul PP-Coaching anzubieten. Darin geht es nämlich genau darum: wie können wir gut mit Belastungen umgehen, daran wachsen und andere dabei unterstützen?

Nach 30 Jahren Erfahrung als Trainerin kann ich gerade voller Staunen sagen: Ich habe in diesen letzten Wochen und Monaten gelernt, wie und dass es gelingt, dass wir miteinander in echten, spürbaren Kontakt kommen können – obwohl man sich online nicht direkt in die Augen schauen kann, nur in die Kamera. Ich habe erlebt, wie intensive persönliche Verbindungen und psychische Prozesse online möglich sind und ich staune. Staune darüber, was wir alle in diesem Jahr gelernt haben, wie offen und mutig wir damit umgehen und wie daraus Vertrauen wachsen kann.

Dieses Vertrauen wünsche ich uns allen als stabile Grundlage, um im neuen Jahr  gut mit all dem umgehen zu können, was da kommt. Corona wird uns noch eine ganze Weile begleiten, ja, doch wir haben Möglichkeiten, um damit klarzukommen, uns gemeinsam zu unterstützen, daran zu wachsen und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Die Positive Psychologie kann uns dabei einiges an Orientierung geben, eine innere Haltung und die Möglichkeiten, sie in unserem Verhalten umzusetzen. Dann sind es nicht mehr “Interventionen”, sondern dann ist es der Ausdruck von Werten im Tun.

Ich habe in diesem Jahr alle paar Wochen einen kostenfreien Online-Abend angeboten “Positive Psychologie in Zeiten von Corona”. Nicht alle Abende haben wir aufgezeichnet, doch manche sind auf dem INNTAL Youtube-Kanal zu sehen. Auch einige meiner Keynotes habe ich dort online gestellt. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass wir die Positive Psychologie jetzt in dieser herausfordernden Zeit nutzen, um uns und andere zu unterstützen. Ich hoffe, dass ich mit so einer Mail wie dieser vielleicht auch ein wenig dazu beitragen kann.

Ein persönlicher Gedanke zum Schluss:

Ich habe im Frühjahr sehr deutlich dafür plädiert, den Begriff “social distancing” durch “physische Distanz – aber sozialer Kontakt” zu ersetzen. Denn unser Denken erzeugt Wirkung und schafft Wirklichkeit. Abstand ist etwas anderes als menschliche Distanz. Wärme und Nähe können wir dennoch erleben, geben und gestalten. Das wissen wir nach diesem Jahr, in dem wir gelernt haben, mehr räumliche Distanz zu halten. Menschliche Nähe geht dennoch!

Der zweite Begriff, der mich persönlich erschreckt, und vor vor dem ich warnen möchte, ist “Lockdown”. Dieser Begriff bedeutet auf Deutsch “Einschluss” und kommt aus dem Kontext Gefängnis. Wir waren (und sind) aber nie eingeschlossen. Auch wenn Firmen und Geschäfte schließen mussten (auch wir im INNTAL gehören dazu), so ist es kein “Lockdown”. Es ist höchstens ein “Shutdown”, ein Herunterfahren.

Sprache erzeugt Wirkung! Ich habe den Begriff “Lockdown selbst lange boykottiert und versuche es immer noch. Als jetzt im November der “Lockdown light” in den Sprachgebrauch eingezogen ist, hat er dem “Lockdown” wieder den Weg bereitet, und so ist dieses Wort nun in jedem Artikel zu Corona zu finden. Gerade deshalb: Überlegt euch bitte, wie ihr eure Sprache verwenden wollt. “Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen” ist sperrig, ja, doch aus meiner Sicht trifft es das, was wir erleben, um so viel besser als dieses unselige Wort “Lockdown”. Wir sind nicht im Gefängnis! Wir entscheiden uns aus freien Stücken, wie wir uns verhalten und tun das aus Verantwortungsbewusstsein. Nicht weil wir gezwungen werden.

Autonomie ist eines der menschlichen Grundbedürfnisse. Zusammen mit Selbstwirksamkeit und Verbundenheit hält uns das psychisch gesund. Und vielleicht ist die Verwendung von Sprache, mit der wir unser Erleben beschreiben ja ein kleiner Schritt, um unsere Autonomie zu stärken. Gemeinsam.

In diesem Sinne wünsche ich euch frohe Weihnachtstage – auch wenn sie vielleicht anders sind – Zeit, um zur Ruhe zu kommen, das Jahr 2020 zu betrachten und mutig, zuversichtlich und kraftvoll ins neue Jahr zu gehen.

Herzliche Grüße

Daniela Blickhan

Bildquelle: pixabay  user_id:1195798
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