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Ein Jahresrückblick mit Charakterstärken und Positiver Psychologie

In den letzten Tagen des Jahres sind Blogs und Social Media voll mit Empfehlungen für einen Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate. Die ersten lesen wir noch mit Interesse, doch mit der Zeit stellt sich bei vielen von uns eine gewisse Ermüdung ein: „…noch ein Jahresrückblick? Dann doch lieber weiterscrollen….“ Wie wäre es mit einer interessanten Form dafür, die dir Freude macht und dich beflügelt? Ich möchte dir hier – kompakt und umsetzbar – Ideen aus der Positiven Psychologie mitgeben, wie du aus deinem Rückblick auf 2022 fürs Neue Jahr Zuversicht, Optimismus und Rückenwind mitnehmen kannst.

Neugier, Verbundenheit, Balance

 

Die VIA-Stärken beschreiben Aspekte eines guten Charakters, indem sie Werte mit Verhaltensweisen verbinden (VIA = values in action, Seligman & Peterson, 2002). Zu diesen Stärken können „alle Menschen aus freien Stücken ja sagen“ (Seligman 2012), und sie sind in uns allen bereits angelegt. Ob und wie intensiv wir diese Stärken aber dann auch tatsächlich entwickeln, das hängt von uns ab – wir haben keine Garantie darauf, tragen aber das Potential dafür in uns.

In einer neuen Systematik der VIA-Charakterstärken beschreibt Robert McGrath (2015) drei grundlegende Faktoren, sozusagen die kleinsten gemeinsamen Nenner, auf die sich die 24 Charakterstärken fokussieren lassen:

  • Offenheit bzw. Forschergeist (inquisitiveness),
  • Verbundenheit (caring) und
  • Balance (self control).

Mit diesen drei Faktoren wirst du deinen Jahresrückblick gleich beginnen.

Entscheide dich aber zunächst, wieviel Zeit du dir dafür nehmen möchtest, und wähle zwischen drei Versionen:

  1. Kurz und kompakt: Nimm dir 15 Minuten Zeit, zwei Minuten zum Einstimmen, eine pro Monat und eine zum Integrieren. (Und danach vielleicht noch ein wenig „Bonuszeit“)
  2. Entspannt: Nimm dir etwa 45 Minuten, fünf bis zehn Minuten zum Einstimmen, zwei pro Monat und wieder fünf bis zehn Minuten zum Integrieren und ausklingen lassen.
  3. Deluxe: Nimm dir so viel Zeit, wie du möchtest, und schaffe einen Rahmen, in dem dir der Rückblick Freude macht. Geh mit einem lieben Menschen spazieren und nimm die Fragen für das Gespräch auf euren gemeinsamen Weg mit. Oder geh alleine spazieren und beginne ein Gespräch mit dir selbst, so als wärst du dein eigener Gesprächspartner. Oder suche dir einen ruhigen Platz, um expressiv zu schreiben.

Offenheit, Neugier, Entdeckerfreude, Forschergeist

 

Diese inneren Qualitäten gilt es zunächst in dir wachzurufen, damit dir der Rückblick Freude macht und Rückenwind gibt.

Erinnere dich dazu an eine Situation, in der du diese Stärken schon einmal erlebt hast. Es kann eine kleine, ganz alltägliche Erfahrung gewesen sein – vielleicht hast du im Internet etwas recherchiert und dabei den Flow der Entdeckerfreude erlebt. Oder du erinnerst dich an ein intensives Erlebnis, in das du mit Offenheit, Interesse, Neugier „eingetaucht“ bist? #

Nimm dir einen Moment Zeit, um nachzuspüren, wie du diese Stärken körperlich wahrnimmst. Wo fühlst du die Offenheit und Neugier? Und wenn diese Stärken eine Farbe hätten, welche Farbe wäre das? (Ja, diese Frage scheint ungewöhnlich, doch die meisten Menschen können sie spontan beantworten und damit ihre Stärken unmittelbar verankern.)

Das ganze Jahr: als Gefühl, Wegabschnitt

 

Mit Interesse, Neugier und Offenheit schau nun gedanklich auf dein Jahr zurück. Stell dir vor, du könntest das vergangene Jahr wie einen Weg sehen, den du in einer Landschaft zurückgelegt hast. Vielleicht siehst du von deinem Aussichtspunkt heute nicht alle Abschnitte des Weges, doch du weißt, wo dein Weg im Januar 2022 begann und wo du nun im Dezember 2022 stehst.

Wenn du so auf dein gesamtes Jahr zurückblickst,

  • Welche Gefühle erlebst du?
    Benenne sie einfach so, wie sie kommen, nicht wertend, wünschend, sondern einfach wahrnehmend.
  • Welche wichtigen Wegabschnitte oder Meilensteine siehst du?
  • Welche Überschrift möchtest du deinem Jahresweg 2022 geben?
    Finde dafür ein Wort, einen Satz, eine Metapher.

Mit dieser Entdeckerfreude wirst du dich gleich aufmachen, um die einzelnen Monate zu betrachten. Doch bevor du zum Januar 2022 zurückgehst, nimm dir noch einen Moment Zeit, um die anderen beiden Stärken-Prinzipien in dir wachzurufen: Verbundenheit und Balance.

Verbundenheit und Balance

 

Unser Gehirn hat in seiner „Werkseinstellung“ einen Filter mitbekommen, der uns bedrohliche, gefährliche oder anderweitig problematische Reize bevorzugt wahrnehmen lässt. Was „nicht passt“, bekommen wir schneller mit und es wirkt länger nach als das, was „passt“. Das war evolutionär gesehen auch ziemlich sinnvoll, weil es unseren Vorfahren half zu überleben. Doch ein gelingendes, erfülltes Leben ist eben mehr als nur bloßes Überleben, und deshalb laden wir unser Gehirn für den Jahresrückblick zunächst in einen anderen Modus ein. Wir bieten ihm dabei statt der „Werkseinstellung“ eine „benutzerdefinierte Einstellung“ an, in der wir den Fokus auf das richten, was gut ist bzw. war. Dabei helfen uns die Qualitäten Verbundenheit und Balance.

Nimm dir einen Moment Zeit, um das Gefühl der Verbundenheit zu spüren. Im Englischen hat caring zwei Bedeutungen, to care for – sich kümmern um, fürsorglich sein – und to care about – sich einsetzen für etwas, das mit wichtig ist. Erlaube dir, freundlich mit dir selbst in Verbindung zu gehen, einfach so, ohne einen besonderen Grund. Spüre wie du dir jetzt in diesem Moment wichtig sein darfst und dir Zeit für dich nehmen kannst.

Finde dafür eine stimmige „Dosierung“ und deine Balance. Atme langsam und tief aus und genieße diese Verbindung mit dir selbst. Erlaube dir, jetzt in diesem Moment in dir selbst zuhause zu sein.

Zwölf Monate – zwölf Stärken

 

Richte deine Aufmerksamkeit nun mit dem Gefühl von Offenheit, Verbundenheit und Balance auf deinen Jahresweg 2022. Vielleicht stellst du dir vor, du könntest über deinem gesamten Weg schweben und die einzelnen Abschnitte betrachten, oder du „zoomst“ einen Monat heran, um ihn genauer wahrzunehmen.

Geh entspannt und aufmerksam mit drei Fragen durch jeden einzelnen Monat:

  • Was war in diesem Monat besonders? Was war mein Monatsmoment?
    etwas, das diesen Monat besonders gemacht hat
    ein persönliches Erlebnis oder ein äußeres Ereignis
    ein erreichtes Ziel oder eine Herausforderung, der du dich stellen musstest 
  • Welche deiner Stärken hat dich in diesem Monat begleitet?
    Sicher hast du viele deiner Stärken eingesetzt; entscheide dich dennoch für eine Stärke dieses Monats 
  • Was nehme ich aus diesem Monat mit?
    Was war gut? Wofür kannst du dankbar sein?

Geh im gleichmäßigen Rhythmus durch die einzelnen Monate und widme allen die gleiche Aufmerksamkeit. Betrachte entspannt einen Monat nach dem anderen und (wenn du magst) erlaube dir dabei einen trance-ähnlichen Zustand. Falls du dir etwas notieren möchtest, schreib dir am besten nur kurze Stichworte auf, damit du in dieser entspannten Fokussierung bleiben kannst, und vertraue darauf, dass du dich auch später noch an alles erinnern kannst, was wichtig ist.

Geh so durch die Monate des ganzen Jahres bis zum Dezember.

Der Abschluss: Mein Jahresthema 2022

 

Du bist nun durch dein vergangenes Jahr gewandert und hast dir dabei angeschaut, was in jedem Monat besonders war, welche Stärken dich begleitet haben und was du an Gutem mitgenommen hast und wertschätzen kannst. Mit welchen Gefühlen beendest du deinen Rückblick? Wahrscheinlich wirst du vielfältige Facetten von Gefühlen wahrnehmen, und vielleicht sind auch nicht alle davon nur angenehm. (Das liegt unter anderem an der „Werkseinstellung“…)

Gib allen deinen momentanen Gefühlswahrnehmungen Raum und hole deine Stärken der letzten 12 Monate dazu. Du brauchst nicht alle Einzelheiten bewusst präsent zu haben oder benennen können. Stell dir vor, du blickst in ein Kaleidoskop, in dem viele kleine Elemente ein faszinierendes Bild ergeben. Und dieses Bild wandelt sich jedes Mal, wenn du das Kaleidoskop drehst und eine andere Stärke oder einen Monatsmoment in den Vordergrund einlädst.

Angenommen, es gäbe ein Jahresthema 2022 für dich, das du nun am Ende des Jahres sehen, erleben, benennen kannst – wie würde es lauten? Finde dafür ein Wort, ein Verb, eine kurze Formulierung, am besten in „Kindersprache“.

Mit welchem Thema lässt du dein Jahr 2022 ausklingen?

Herzliche Grüße
Daniela

PS: Ich empfehle dir, diese Übung mit dem Jahresthema 2022 wirklich ausklingen zu lassen. Viel zu oft holen wir uns nach einem Rückblick gleich das nächste Ziel in den Blick. In diesen Tagen „zwischen den Jahren“ können wir uns aber auch erlauben, damit noch ein paar Tage zu warten.

Und im neuen Jahr gibt’s dann einen Artikel, wie du dein Jahresmotto 2023 finden kannst. Am Anfang des Jahres 😊

PS 2: Zum Weiterlesen über die Systematik der Charakterstärken findest du hier den Originalartikel und in meinen Büchern eine Aufbereitung der Ergebnisse und ihrer Anwendung.

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