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Psychische Grundbedürfnisse – und warum Maslow nie an eine Pyramide gedacht hat

Was uns gesund hält und Wohlbefinden fördert

Psychische Grundbedürfnisse. Sie halten uns Menschen gesund und sind Grundlage unseres Wohlbefindens. Und viele Menschen denken dabei gleich an „Maslows Pyramide“. Wussten Sie aber, dass Maslow selbst die Grundbedürfnisse nie als Pyramide verstanden hat?

Betrachten wir zunächst die Begrifflichkeiten: Was sind Bedürfnisse, was Grundbedürfnisse, und wie lassen sie sich von individuellen Motiven und Wünschen abgrenzen?

Bedürfnisse

Bedürfnisse sind individuell. Sie entwickeln sich im Umfeld, in dem man aufwächst, der Kultur, in der man lebt.

Bedürfnisse sind salopp gesagt, das, was man sich wünscht, was man will. Sie sind eng verbunden mit unseren persönlichen Zielen und Wünschen, mit Werten und Motiven. Und natürlich verändern sie sich im Lauf der Lebensspanne.

Grundbedürfnisse

Grundbedürfnisse sind dagegen universell, also bei allen Menschen gleichermaßen angelegt, unabhängig von Geschlecht, Alter oder sozio-kulturellem Hintergrund. Grundbedürfnisse sind wesentliche Faktoren für Gesundheit und Wohlbefinden, salopp gesagt sind sie das, was man braucht.

Es gibt physische Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen und Sexualität) und psychische Grundbedürfnisse (zum Beispiel soziale Verbundenheit, die uns in Zeiten der Corona-Pandemie oft so spürbar fehlt).

Die Grundbedürfnisse selbst sind bei allen gleich (im Gegensatz zu individuellen Bedürfnissen), kulturell durchaus unterschiedlich kann allerdings sein, was als Erfüllung eines Grundbedürfnisses „gilt“. In Lateinamerika wird Verbundenheit zum Beispiel auf andere Weise ausgedrückt als in Japan.

Ein länger andauerndes Defizit bei einem oder mehreren Grundbedürfnissen führt über kurz oder lang zu Symptomen psychischer oder auch physischer Art, zu Krankheit oder schlimmeren Konsequenzen.

Die Grundbedürfnisse nach Maslow –  keine Pyramide

Weithin bekannt, gerade im Kontext Coaching und Training, ist die sogenannte „Bedürfnispyramide“ nach Maslow. Von ihr hat fast jeder schon gehört. Kaum bekannt ist allerdings, dass Maslow selbst nie von einer Pyramide gesprochen hat. Die Annahme, dass erst die Befriedigung einer unteren Hierarchiestufe die Erfüllung einer höheren ermöglicht, ist aus heutiger Sicht nicht mehr uneingeschränkt haltbar.

Betrachten wir zunächst die Grundbedürfnisse, wie Maslow sie bereits um 1940 formuliert hat.

Grundbedürfnisse nach Maslow (1943, 1971)

1943: Fünf Grundbedürfnisse

Zum ersten Mal sprach er 1943 im Artikel A Theory of Human Motivation von fünf Grundbedürfnissen:

  • Existenzbedürfnisse
  • Sicherheit
  • Sozialbedürfnis
  • Anerkennung und Wertschätzung
  • Selbstaktualisierung

1971: Acht Grundbedürfnisse

In seinen Büchern Motivation and Personality (1954) und Farther Reaches of Human Nature (posthum 1971) entwickelte er das Modell weiter und formulierte acht Grundbedürfnisse:

  • Physiologische Bedürfnisse
  • Sicherheitsbedürfnisse
  • Soziale Bedürfnisse
  • Individualbedürfnisse
  • Kognitive Bedürfnisse
  • Ästhetische Bedürfnisse
  • Selbstverwirklichung
  • Transzendenz

Mit dem Bedürfnis nach Transzendenz nimmt Maslow hier ausdrücklich eine Dimension hinein, die das individuelle Ich überschreitet. Sie erinnert stark an Viktor Frankl, der zur selben Zeit in der Logotherapie die Selbsttranszendenz als wesentlichen Faktor eines sinnvollen, gelingenden Lebens benannte. Maslow erweiterte das Modell zudem um die ästhetischen und kognitiven Bedürfnisse.

In beiden Versionen von Maslows Modell finden wir physiologische (körperliche) und psychische Grundbedürfnisse. Und diese beiden Arten unterscheiden sich ganz erheblich.

  • Physiologische Bedürfnisse funktionieren nach dem Prinzip der Homöostase (Gleichgewicht). Es gibt also einen spezifischen Punkt bzw. Bereich, ab dem das Bedürfnis befriedigt ist. Dann kann es erst einmal wieder in den Hintergrund treten. Dies lässt sich am Beispiel eines guten Essens leicht nachvollziehen: Nach einer reichhaltigen Mahlzeit ist das Bedürfnis, an die nächste zu denken, eher gering.
  • Psychische Bedürfnisse sind dagegen als Wachstumsbedürfnisse permanent wirksam. Defizitbedürfnisse wirken dann, wenn etwas fehlt. Ein körperliches Beispiel wäre Hunger, ein psychisches Beispiel fehlende Sicherheit. Psychische Wachstumsbedürfnisse bilden dagegen die Grundlage menschlichen Handelns und ihre Erfüllung lässt Menschen aufblühen.

Unabhängig davon, ob man nun das Modell des frühen oder späten Maslow benutzt, in keinem Fall war es im Sinne des Autors, Bedürfnisse als hierarchische Abfolge oder als „Pyramide“ zu verstehen. Bereits beim frühen Konzept schrieb er:

„Bisher hat unsere theoretische Diskussion möglicherweise den Eindruck erweckt, dass diese fünf Sätze von Bedürfnissen irgendwie in einer sukzessiven Alle-oder-keine-Beziehung zueinanderstehen. Wir haben es so formuliert: „Wenn ein Bedürfnis erfüllt ist, so entsteht ein anderes.“ Diese Aussage könnte den falschen Eindruck schaffen, dass ein Bedürfnis zu 100 Prozent erfüllt sein muss, bevor das nächste entsteht.“ (Maslow, 1943, S. 388-389, zitiert nach Wikipedia-Arteikel Maslowsche Bedürfnishierarchie

Eine deutlich sinnvollere Darstellung, wie die Bedürfnisse miteinander zusammenhängen, findet sich im Wikipedia-Artikel zu Maslows Bedürfnishierarchie. Sie stammt von Philipp Guttmann in Anlehnung an Krech, Crutchfield und Ballachey (1962).

  

Diese Abbildung kann viel besser als eine statische Pyramide veranschaulichen, wie alle Bedürfnisse stetig präsent sind und sich überlappen. Es wäre wirklich wünschenswert, dass sich diese Darstellung verbreitet und die Pyramide ablöst.

Denn Bedürfnisse gleichen vielmehr Wellen als Stufen!

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