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Ein Kompass für dein Jahr

Eine Alternative zu guten Vorsätzen, Jahres- oder Monatszielen

Das neue Jahr ist noch keine zwei Wochen alt, doch viele Vorsätze, die an Silvester und Neujahr gefasst wurden, wackeln schon oder wurden bereits stillschweigend beiseitegelegt. Coaches können die Gründe dafür erklären (und tun das in sozialen Netzwerken aktuell auch reichlich):

Das Ziel war zu groß, nicht attraktiv genug, im Widerspruch zu anderen Zielen oder es war eigentlich gar nicht das eigene Ziel, sondern das anderer Menschen. Die Schritte zum Ziel sind zu groß, passen nicht zu bestehenden Gewohnheiten, lassen sich nicht gut in den Tagesablauf integrieren oder sind schlicht zu mühsam.

Also müssen wir unser Ziel nur neu fassen, etwas umformulieren, anpassen, und schon klappt’s? Ich möchte euch eine Alternative vorstellen, mit der Klient*innen und ich selbst gute Erfahrungen gemacht haben: ein Jahresthema bzw. Jahresmotto.

Ziele und Vorsätze sind toll, aber…

 

Wir Menschen sind zukunftsorientierte Wesen. Martin Seligman spricht vom homo prospectus, der von der Zukunft angezogen wird statt von der Vergangenheit getrieben ist. Ja, das trifft zu, und Coaches können bestätigen, dass die Frage „wozu?“ meist wesentlich mehr bringt als „warum?“. (Auch Simon Sinek, bekannt für das Prinzip „start with why?“, fragt darin inhaltlich im Grunde nach dem „wozu?“, nicht nach einem „warum?“.)

Wir Menschen denken gerne in Zielen, stecken uns attraktive, smarte, große, kleine, kaskadierende und visionäre. Und bei einem Neubeginn wie einem neuen Jahr, Schuljahr, sogar am Monats- oder Wochenbeginn fassen wir eher gute Vorsätze (Milkman, 2014) . Diese sind wie kleine Geschwister von Zielen und unterliegen ähnlichen psychischen Dynamiken und Wirkweisen. Sie ermöglichen uns eine Perspektive, die in die Zukunft weist, fördern Optimismus, Zuversicht, Hoffnung und dienen uns als Orientierung im täglichen Handeln.

Ziele haben allerdings auch einen Haken, speziell dann, wenn sie besonders „smart“, also messbar, sind. Wer genau definieren kann, wann ein Ziel erreicht ist, kann auch genau benennen, wenn er sich vom Ziel entfernt oder dem Ziel zu langsam näherkommt. Dann hat ein Ziel sozusagen seinen eigenen Tachometer dabei, und sobald wir zu langsam fahren, fühlen sich viele von uns diffus unwohl, nicht gut genug, nicht effizient und nicht erfolgreich. Dann fördern Ziele nicht Freude sondern erzeugen Druck.

Diese Problematik gilt besonders für Ergebnisziele, die klar messbar und benennbar sind, und in vielen beruflichen Kontexten als Goldstandard gelten. „Kannst du’s nicht messen, kannst du’s vergessen“ heißt es gerne, nicht nur in Finanzkreisen, sondern auch im Hinblick auf unsere persönlichen Ziele. Wir haben ja gelernt und trainiert, unsere Ziele smart zu formulieren – „m“ wie messbar. Und damit kaufen wir uns einen Vorteil und einen Nachteil gleichzeitig ein:

  • Messbare Ergebnisziele beflügeln uns dann, wenn wir uns dem Ziel nähern, wahrnehmbar und messbar. Dann spüren wir, wie wir vorankommen, sind stolz und froh und geben vielleicht sogar noch ein bisschen mehr Gas.
  • Messbare Ergebnisziele können aber zur Last werden, wenn wir auf der Stelle treten, nicht weiterkommen oder uns sogar vom Ziel entfernen. (Ein Beispiel? Viele von uns brauchen dazu nur kurz an ihre Waage denken…)

Das bedeutet, ein Faktor des Ziels, nämlich seine Messbarkeit, der an sich gut und sinnvoll ist, kann sowohl positiv als auch hindernd wirken . Und deshalb möchte ich eine Alternative zu diesen längerfristigen Vorsätzen oder Jahreszielen vorschlagen: ein Motto, ein Thema, einen Wert. (Das Prinzip lässt sich leicht auf Monats- oder Wochenziele übertragen.)

Ein Jahresmotto als Kompass

Ein Jahresmotto ist ein Grundthema, ein Prinzip, ein Wert, den ich in diesem Jahr verwirklichen möchte. Ja genau: verwirklichen – nicht erreichen.Ein solches Motto kann zum Beispiel sein

  • Gesundheit
  • Freude
  • Klarheit
  • Fokus
  • Zufriedenheit.

Im Gegensatz zu einem Ziel ist ein Motto nicht konkret in Zeit und Ort verankert („smart“). Es bestätigt uns nicht wie ein Ergebnisziel „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, doch es kann uns trotzdem Orientierung geben, so wie ein Kompass. Oft sogar leichter und freudiger.

Bei einem Ziel prüfe ich immer wieder, ob und wie gut ich ihm näherkomme. Ich lege also einen Maßstab an, mit dem ich meinen Fortschritt messe und bewerte. Und bin ich nicht schnell oder weit genug gekommen, kann das leicht Gefühle der Unzufriedenheit und Enttäuschung auslösen, die uns antreiben, doch jetzt bitte mal mehr zu machen. Dann bekommt das Ziel aber ganz schnell einen Beigeschmack von „ich sollte“ oder „wenn ich jetzt nicht…, dann…“. Das ist eine Variante der Reaktion auf mangelnde Zielerreichung. Die andere führt über Frustration und Versagensgefühle dazu, dass Zuversicht und Freude schwinden und wir Vorsätze über Bord werfen und Ziele aufgeben.

Ein Jahresmotto hat dagegen keinen Maßstab für seine Erreichung dabei. Ein Kompass hat ja auch keinen Entfernungsmaßstab; er zeigt nur die Richtung an. Ein Jahresmotto kann dasselbe tun. Es bildet den Hintergrund, gibt einen Unterton, ermöglicht ein Grundgefühl für einen Zeitraum meines Lebens – zum Beispiel für dieses Jahr, das gerade eben begonnen hat.

Was wird dein Thema für das Jahr 2023?

 

Nimm dir einen Moment Zeit für die Frage: Was soll dein Motto dieses Jahres sein? Welches Thema spricht dich an? Nimm gerne dafür auch deine Ziele in den Blick und schau sie dir daraufhin an, welchen gemeinsamen Nenner sie haben. Worum geht es dir? Wer möchtest du am Ende dieses Jahres sein? Worauf möchtest du zurückblicken? Mit welchem Grundgefühl?

Im Englischen gibt es Wörter, die sowohl einen Prozess als auch einen Wert beschreiben können, weil sie Verb und Substantiv zugleich sind: love, clear, calm, play sind einige solcher Beispiele. Sie eignen sich besonders gut als Motto, sind aber im Deutschen leider nicht so häufig.

Dein Motto braucht auch nicht gleich „fertig“ zu sein. Nimm dir ein solches Mottowort einfach mal probeweise ein paar Tage mit und sammle Erfahrungen damit. Und wenn du merkst, dass dir dein Motto wohltut, Entscheidungen bereichert und dir Freude macht, bleib dabei. Und falls du es verändern oder ein wenig anpassen möchtest, dann mach das mit Offenheit und Neugier.

Rückenwind für dein Jahr

 

Einem Motto brauchst du dich nicht nähern wie einem Ziel. Und du entfernst dich auch nicht von ihm. Ein Motto kann ein Hintergrund für die vielen kleine Entscheidungen werden, die du täglich triffst. Dann baust du damit Gewohnheiten auf, die sich an diesem Wert wie an einem Kompass orientieren, und die dir Rückenwind geben. Das kann zu weitreichenden Veränderungen führen, die sich aber leicht anfühlen und nicht „nach Arbeit“.

Alles, was du dazu brauchst, ist dein Motto. Worum geht es dir 2023? Ich wünsche dir viel Freude dabei, es für dich zu entdecken. Und wenn du magst, dann erzähl anderen davon (oder schreib es in die Kommentare), denn dann steigt die Chance, dass du andere inspirieren kannst und Unterstützung erfährst.

Quellen

 

Seligman, M. E., Railton, P., Baumeister, R. F., & Sripada, C. (2016). Homo prospectus. Oxford University Press.

Sinek, S. (2009). Start with why: How great leaders inspire everyone to take action. Penguin.

Sinek, S. (2014). Frag immer erst: warum: Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren. Redline Wirtschaft.

Dai, H., Milkman, K. L., & Riis, J. (2014). The fresh start effect: Temporal landmarks motivate aspirational behavior. Management Science, 60(10), 2563-2582.

Foto von Jordan Madrid auf  Unsplash
Foto von Mariah Hewines auf Unsplash

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